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Zum Gedenktag des HEILIGEN FRANZISKUS am 4. Oktober

«Ganz eingenommen von der Liebe Gottes, sah der heilige Franz von je nicht nur in seiner eigenen Seele, die in der Schönheit jeglicher Tugend strahlte, sondern überhaupt in jedem Geschöpf die vollkommene Güte Gottes dargestellt. Darum war er mit besonders inniger Liebe den lebenden Wesen zugetan, fürnehmlich jenen, in denen er eine Eigenschaft Gottes oder einen Zug des religiösen Lebens versinnbildet sah. Vor allem liebte er deshalb unter allen geflügelten Wesen ein kleines Vöglein aus der Familie der Lerchen, das im Volksmund "Haubenlerche" heisst.


Er sagte von ihr: "Unsere Schwester Lerche hat eine Kapuze wie unsereins, und sie ist ein demütiger Vogel, denn sie geht gerne den Weg entlang, um ein paar Körnlein für sich zu finden, oder holt sie aus den Abfällen heraus, und davon fristet sie ihr Leben. In ihrem Fluge lobt sie den Herrn mit gar lieblichem Ton: Sie macht es wie gute Ordensleute, die sich über das Irdische erheben, deren Wandel stets im Himmel und deren Sinn allzeit auf die Ehre Gottes gerichtet ist. Ihr Federkleid ist der Erde ähnlich, zum Vorbild und zur Mahnung für uns, keine kostbaren, bunten Gewänder zu tragen, sondern billige und einfache, so wie auch die Erde gewöhnlicher ist als die andern Elemente." Weil also Franz dies an ihnen sah, mochte er sie so gut leiden.


Und nun gefiel es dem Herrn, dass diese lieben frommen Vöglein um die Stunde seines Todes ein Zeichen ihrer Anhänglichkeit gaben. Denn an jenem Samstagabend vor der Nacht, da Franz zum Herrn ging, flog nach der Vesper eine grosse Schar dieser Haubenlerchen auf das Dach des Hauses, worin er lag, und sie beschreiben in ihrem Fluge ein Rad, dessen Umkreis das Dach umschloss, und ihr süsser Gesang hörte sich an wie ein Lobpreis Gottes.»


Aus: Franz von Assisi, Legenden und Laude, herausgegeben und übersetzt von Otto Karrer, Manesse Bibliothek der Weltliteratur


Foto von Bob Brewer auf Unsplash


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